Karel Čapek: „Der Krieg mit den Molchen“

Es ist bedauerlich, dass Karel Čapeks wunderbarer Roman „Der Krieg mit den Molchen“ außerhalb Tschechiens nicht noch bekannter ist. Dieses Buch sollte jedenfalls in einem Atemzug genannt werden mit Orwells „1984“ oder Huxleys „Brave New World“, bleibt es doch als furchteinflößende Dystopie ebenso wie jene ständig aktuell und vermag den Blick auf die Gegenwart stets aufs Neue zu bereichern. Ursprünglich verfasst in den dreißiger Jahren war diese wunderbare Satire wohl vor allem als antimilitaristische, antifaschistische Warnung gedacht – doch sie ist so viel mehr als das. Den zeitgenössischen Lesenden bietet diese kuriose Geschichte vom Krieg mit den Molchen auch reizvolle Perspektiven auf brisante Fragen wie die Mensch-Tier Beziehung oder den Klimawandel. Wie würden wir uns verhalten, wenn wir unter den „intelligenten“ Lebensformen dieser Welt nicht mehr die einzigen wären, die sich gesprochenen Sprachen, Werkzeugen und Waffen bedienen könnten. Was würde es bedeuten, wenn selbstverschuldet die Meeresspiegel steigen und die ganze Menschheit bedrohten? Neben all dem ist „Der Krieg mit den Molchen“ auch eine beißende Attacke auf politische Heuchelei und patriotische Verklärung. Auch an treffender Medienkritik ist einiges darin zu finden. Bei all dem ist dieses Buch unglaublich unterhaltsam. Meisterhaft balanciert der Autor auf dem schmalen Grat zwischen Lachen und Weinen, zwischen Komik und Ernst, zwischen Scherz und Anklage. Selten so ein gutes Buch gelesen.

Karel Čapek, der in einem anderen Werk übrigens auch den modernen Begriff „Roboter“ geprägt hat, gehört neben Kafka, Kundera und Havel zu den absoluten „Must Reads“ der tschechischen Literatur. Ein spannendes Detail zu Čapeks Lebensgeschichte ist auch, dass ihn die Gestapo, die ihn zuvor schon als „Staatsfeind Nr. 2“ (nach dem damaligen Präsidenten) erklärt hatte, nicht finden konnte, als sie ihn nach der Invasion 1939 ins Konzentrationslager werfen wollten. Es war ihnen nicht bekannt, dass er schon ein paar Monate zuvor an einer Lungenentzündung gestorben war.

Sehr zu empfehlen.

Max Reisch: Indien – Lockende Ferne

Mit Begeisterung las ich in den letzten Tagen das Buch „Indien – lockende Ferne“ von Max Reisch, das allen geschichtsinteressierten Kufsteiner:innen doppelt ans Herz gelegt sei. Nicht nur, dass seine Motorradreise über Balkan, Türkei, Syrien, Irak, Iran und Indien bis nach Bombay zu einer Zeit, da richtige Straßen noch rar waren, ein ungeheures, technisches Wagnis darstellte – er verstand es auch mit poetischer Sprache, Liebe zum Detail und viel Humor von all den Abenteuern am Wegesrand in so bildgewaltiger Sprache zu schreiben, dass man meint, man wäre selbst dort gewesen. Bemerkenswert ist auch seine Liebe zur Natur, sein Bewusstsein für das verklärte Auge des Eurozentrismus („westliche Überheblichkeit“) und sein Interesse für die Kulturen des Orients. Seine Schilderungen sind spannend, schön und teilweise erfrischend komisch. Die Episode mit dem Euphrat-Wasser, bzw. die Schilderung des Sturzes an der ungarischen Grenze zeugen von einem herrlichen Sinn für Selbst-Ironie und Komik. Ein Besuch der Max-Reisch Sonderausstellung am Timmelsjoch ist sicher lohnenswert.


Ich werde mich aber auch dafür einsetzen, dass man auch in Kufstein den Abenteuern des Max Reisch ein deutlicheres Andenken setzt. Die Pläne für eine Erweiterung des Heimatmuseums auf der Burg in Richtung eines Pioniermuseums gibt es ja schon lange. Hier soll in den nächsten Jahren endlich etwas geschehen.

Die Episoden ganz am Ende des Buches – in Amritsar, Delhi, Agra, Jhansi, Gwalior und Bombay – waren für mich persönlich von besonderem Interesse, hat Indien doch auch mich gelockt und bin ich doch vor sieben Jahren vier Monate lang dort herumgereist – allerdings mit öffentlichen Verkehrsmitteln. In Amritsar scheint sich seit damals tatsächlich nicht viel verändert zu haben. Die von Max Reisch geschilderten Gefühle beim Anblick des Goldenen Tempels der Sikhs und später des Taj Mahal kann ich jedenfalls sehr gut nachempfinden, habe ich doch beides in ähnlicher Weise persönlich erlebt. Und weiter lockt die Ferne …

Joseph Roth: „Radetzkymarsch“

Ca. 20 Jahre ist es her, dass mich Axel Cortis Verfilmung dieses Romans begeisterte. Nun habe ich endlich auch das Buch gelesen. Ein Genuss! Selten wurde die komplexe Psychologie des österreichischen  Selbstverständnisses kurz vor der Zeitenwende des 1. Weltkriegs mit so viel Feingefühl und Tiefgang zu Papier gebracht. Joseph Roths Sprachgewalt vermag zu bezaubern. Er beleuchtet den Aufstieg und Untergang einer Adelsfamilie vor dem Hintergrund des zerbröckelnden Habsburger-reiches. Welch abgründige Szenen, welch unheilvolle Vorahnungen durchweben dieses 1932 erschienene Werk! Einfach famos!

Das weckt Lust, wieder einmal die Verfilmung an- zusehen, auch des grandiosen Max von Sydow wegen, der nach letzten Rollen in Game of Thro-nes und Star Wars 2020 verstarb, 63 Jahre nach seinem Schachspiel mit dem Tod in Ingmar Bergmans Das siebente Siegel. Welch Karriere!