Wintersonnenwende

An diesem Tage lohnt es, daran zu denken, wie groß die Emotionen waren, die unsere Vorfahren damit verbanden.

Seit Monaten werden die Tage dunkler und kälter. Es herrscht immer mehr Nacht. Das Leben wird zunehmend karger. Alles stirbt. Das Grün des Sommers ist längst eine verblassende Erinnerung geworden. Man friert immer mehr, sieht immer weniger. Es fühlt sich so an, als ginge alles zu Ende. In den Herzen herrscht Weltuntergangsstimmung. Denn wieso sollte alles werden, wie es war? Man sieht doch, wie das Licht mit jedem Tag schwindet, wie Sonnenauf- und untergang sich immer weiter nach Süden verschieben, bis sie sich fast schon treffen und beinahe ewige Dunkelheit herrscht. Etwa so haben sich tausende Generationen von Jägern, Sammlern und frühen, sesshaft gewordenen Bauern in den Tagen vor der Wintersonnenwende gefühlt.

Doch dann … dreht die Sonne plötzlich um und gibt inmitten aller Kälte das Versprechen des wiederkehrenden Sommers, des wiedererwachenden Grüns, der ewigen Wiederkunft des Lebens. An dem Tag, da im alten Megalith-Bau des irischen Newgrange der Strahl der Morgensonne in die innerste Kammer eindringt und diese zum Leuchten bring, ändert sich alles. Die Sonne kehrt um. Die Tage werden wieder länger. Und die Last von Frost und Dunkelheit ist plötzlich viel leichter zu tragen. Denn mit jedem Sonnenaufgang sieht man, wie die Tage wieder länger werden.

Welch Freude und Erleichterung, welch Feste hat die Zeit der Wintersonnenwinde in der Geschichte der Menschheit wohl erlebt? Wie viele Tränen wurden ob der Umkehr der Sonne vergossen? Es lohnt sich, am Tag der Sonnenwende unserem Gestirn der Spektralklasse G7 beim Untergehen zuzusehen und sich darauf zu besinnen.