Ein Gutes dieser misslichen Lage, in der man kein Theater mehr besuchen und auch keines inszenieren darf, ist, dass man mehr Zeit zum Lesen hat. So habe ich neulich ein Buch gelesen, vor dem ich mich weit mehr als vor anderen scheute – ist es doch mein eigenes.
Mehr als fünfzehn Jahre sind vergangen, seit ich „Auf See“ geschrieben habe – lange genug, um längst vergessen zu haben, was darin geschrieben steht. Nur schemenhaft konnte ich mich mehr an die vielen Facetten dieses Buches erinnern, an die Lebensgeschichten der Mannschaft, an die Gespräche mit dem Kapitän. Vieles war vergessen. Das erlaubte mir, dieses Werk beinahe mit derselben Distanz zu lesen, als ob der Autor mir völlig fremd wäre. Ich hatte damit gerechnet, dass mir manches peinlich sein, dass ich Inhalte und Aussagen von „Auf See“ aus heutiger Sicht problematisch finden würde. Außerdem rechnete ich damit, dass ich in diesem Roman jenes Neunzehnjährigen, der ich einst war, viele Mängel, viele erzählerische Schwächen entdecken würde.
Doch dem war nicht so. Ich war überrascht, dass die Geschichte immer noch funktioniert, dass ihre Tragik und Tiefe nicht im Licht der Zeit verblasst ist. Vor allem jene Schliche, mit denen das Buch die Lesenden oft auf die falsche Fährte führt, ihnen ein gewisses Urteil abringt und es dann Seiten später als voreilig und falsch hinstellt, haben mich sehr amüsiert. Stellenweise habe ich mich sogar selbst hinters Licht geführt. Dachte ich das damals wirklich? Seiten später die Erleichterung: Nein, tat ich nicht.
Mit einem Lächeln im Gesicht freue ich mich nun, dass ich „Auf See“ – diesen philosophisch angehauchten Abenteuerroman eines Teenagers – in neuem Kleid und mit kleinem Preis wieder auf die Reise schicken kann. Einen richtigen Verlag habe ich dafür leider nie gefunden. Einerseits hatte ich wohl nicht genug Geduld bei der Suche, andererseits waren die Erfolgsaussichten eines Erstlings, der alles andere als ein Krimi ist, wohl sehr gering. Umso schöner ist es aber, dass die heutige Zeit den Schreibenden ermöglicht, auch auf eigene Faust ohne Risiko zu publizieren. „Auf See“ bleibt für mich eine schöne Erinnerung an vergangene Jahre, ein funkelndes Schmuckstück in meinem Regal früher Werke.
Und falls es sich sonst noch jemand ins Regal stellen will: hier geht’s zur 524 Seiten dicken Printausgabe, und hier geht’s zum eBook.