Die großen Epen

Hat zwar fünfzehn Jahre gedauert, aber nun habe ich doch endlich in Abständen alle fünf großen indoeuropäischen Epen des ersten vorchristlichen Jahrtausends verschlungen: Ilias, Odyssee, Mahabharata, Ramayana und Aeneis.

Kein bisschen staubig, sondern farbenfroh und blutig können es diese Geschichten frühester Zeit an ihrem Unterhaltungswert gemessen mit manch modernem Fantasy-Epos aufnehmen, haben damit sogar viel gemein. In Wortgewalt und historischer Bedeutung überstrahlen sie jene natürlich bei weitem.

Im Handeln und Streben jener unsterblichen Helden, von denen diese Geschichten uns berichten, offenbart sich zutiefst Menschliches. Achilles, Hektor, Odysseus, Rama, Ravana Arjuna, Yudhishthira und Aeneas – so heißen nur manche der Helden, deren Namen die Menschheit niemals vergisst. Trotz der leider zu männlichen Epen, blitzen da und dort auch faszinierende Frauengestalten auf, die in ihrer Art ganz unterschiedlich sind und das Spektrum von der weise abwägenden Königin zur Kriegeramazone abdecken: Dido, Camilla, Helena, Andromache, Penelope, Kunti, Madri, Sita und viele andere. Faszinierend auch wie ähnlich die drei griechisch/römischen den zwei indischen Epen sind. Die Einmischung der Götter, von Zeus bis Krishna, ist ein stets begleitendes Element. Mitunter wirken jene Unsterblichen in ihrem Handeln sogar menschlicher als die Sterblichen es tun.

Meine Lieblingsfigur all dieser Epen ist und bleibt aber der gewiefte Schalk und Schelm der Ramayana, der Affenkönig Hanuman, wie ihn von Westindien bis Bali wohl jedes Kind kennt. Was Homer, Vergil, Valmiki und jener namenlose Autor der Mahabharata hier geschaffen haben, wird noch viele Zeiten überdauern.

Kurzum, ihr alten Epen, es war mir eine Freude. Und sollte mir ein langes Leben beschert sein, so werde ich euch in hohem Alter bestimmt noch einmal zur Hand nehmen und erneut von jenen Heldentaten hören, die im Liede noch leben der kommenden Menschengeschlechter.

Januar 2019

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