An die Kultur- und Kunstschaffenden der Stadt Kufstein (und an alle, die es sonst noch lesen möchten),
erlaubt mir, euch in dieser für uns alle sehr schwierigen Zeit ein paar Zeilen zu schreiben. Heute vor einer Woche, als wohl nur wenige ahnten, wie sehr sich unser aller Leben binnen weniger Tage verändern kann, stand ich selbst noch auf der Bühne. Wir spielten Shakespeare und beim aufmunternden ToiToiToi zu Beginn, wählte ich bereits die Worte: „wer weiß, ob es das letzte Mal ist.“ Und so kam es auch. Die Ereignisse überschlugen sich. Ich hoffe, dass inzwischen alle erkennen, wie ernst die Lage ist und wie verantwortungslos und falsch es wäre, in diesen Zeiten von COVID-19 nach wie vor zu Veranstaltungen, zu Konzert- oder Galeriebesuchen, zu Proben oder zu Versammlungen aufzurufen. Nicht einzuladen, nicht zu veranstalten, nicht Hände zu schütteln – all dies ist nun gleichbedeutend mit Leben retten.
Das bedeutet nun aber nicht, dass Kunst und Kultur gänzlich zum Schweigen gebracht werden. Ganz im Gegenteil. Nützt diese Zeit. Seht sie als Chance. Seht sie als Quelle der Inspiration und als Spende ungeahnter Zeitressourcen. Geht in euch. Nutzt die eigenen vier Wände und seid kreativ. In der Muße offenbaren sich die Musen. Malt! Schreibt! Plant Neues! Die Ideen sollen in den nächsten Wochen nur so sprießen. So nehmt den alten Federkiel zur Hand und schreibt Gedichte. Bannt wunderbare Farben auf die weiße Wand. Hüllt euch in lange nicht getragenen Flimmer und tanzt durch die Wohnungen. Nehmt eure Instrumente, setzt euch im Frühlingswetter auf die Balkone und spielt für die Welt. Genießt auch Werke anderer. Lauscht und seht. Schwelgt in alten Fotos, schmökert in Büchern, für die ihr sonst die Zeit nicht hattet, streamt Filmmeisterwerke, spielt Spiele. Endlich mal wieder Zeit für ein gutes Kreuzworträtsel! Verzweifeln wir nicht! Machen wir das Beste draus!
Nutzt auch das Internet. Teilt euch der Welt mit. Entdeckt euer digitales Selbst. Wie hart hätte uns all dies getroffen in den Zeiten, bevor sich das weltweite Netz erfand. Nun aber sind Isolation und Quarantäne viel leichter zu ertragen; liegt doch digital die ganze Welt vor unseren Füßen und lädt zum Entdecken ein.
Zu guter Letzt noch ein wichtiger Apell: Traut den Falschpropheten nicht. Derer gibt es in sozialen Netzwerken genug. Man liest Falschnachricht um Falschnachricht. Verschwörungstheorien blühen und werden leider von vielen geglaubt. Seid kritisch. Lernt Falschnachricht von Fakt zu unterscheiden. Schaut auf die Quellen, schaut auf die Referenz. Ich setzte mein Vertrauen auf die offiziellen, staatlichen Medien, denn sie haben einen hohen Grad and Objektivität und Weitschau. Fürchtet euch nicht. Lebensmittelläden und Apotheken bleiben offen. Ausgangssperren gibt es keine. Basta.
Dank an alle, die in diesen Zeiten so viel leisten. Wir danken euch mit Geduld, Abstand und Hygiene. Schaut nicht nur auf euch. Schaut aufeinander, vor allem auf jene, die der Hilfe bedürfen und auf unseren Anstand angewiesen sind. Jene aber, die es immer noch nicht glauben wollen, dass die Gefahr real ist und so weitermachen wollen wie bisher – bläut ihnen ein: Es ist ernst. Dies ist kein Scherz und keine Übung, sondern das Einschneidendste, das uns geschah, seit Weltkrieg Nummer 2. Hoffen wir, dass all dies schnell vorübergeht – doch seien wir darauf gefasst: Es könnte länger dauern.
Doch dann, dann wenn dieser Spuk vorbei ist, dann werden wir weltweit ein kulturelles Auferblühen sehen, wie es weltgeschichtlich seines Gleichen sucht. Wir werden wieder flanieren, wieder auf Bühnen stehen, wieder im Publikum sitzen, gemeinsam singen und tanzen und spielen und uns daran erfreuen, dass die Menschheit dies gemeistert hat. All die in der Enge der Eintönigkeit gesammelten Impulse und Ideen werden in die Welt hinausdrängen. Und mehr denn je werden wir zu schätzen wissen, was allen allzulange selbstverständlich schien.
Viel Glück und alles Gute,
Klaus Reitberger
Kulturreferent der Stadt Kufstein