79 Mysore II

Ich begann den Tag mit einem Spaziergang durch den morgendlichen Devaraja Markt, nur ein paar Schritte von meinem Hotel entfernt. Auf dem weitläufigen Areal verkaufen Händler Obst, Gemüse, Blüten, Naturfarbstoffe und andere Waren. Beschaulich.

Wie überall in Mysore wurde auch hier bald einer jener Typen auf mich aufmerksam, deren Aufgabe es ist, die Touristen mit falscher Freundlichkeit und Flunkerei dazu zu bringen, ihnen zu einem dubiosen „Weihrauchmarkt“ zu folgen. Natürlich ging ich nicht mit. Bewundernswert ist aber, wie geschult und gerissen diese Typen sind. Da verwechselt keiner Austria und Australia. Ganz im Gegenteil: Man lobt Red Bull, preist Niki Lauda und fragt, ob man aus Wien kommt – sogar auf Deutsch. Und einmal mehr wird der Zauber des „Räucherstäbchenmarktes“ geschildert. Faszinierend, dass sich das Aneignen solchen Wissens lohnt – bei der Handvoll Österreicher, die jährlich wohl nach Mysore gelangt. Amüsant ist auch die Sorge dieser Typen um meine Gesundheit. Da werden Mysore und mein nächstes Ziel Hampi als moskitogeplagte Malariagebiete beschrieben. Und natürlich gibt es das Öl, das ja so viel besser ist als der Moskitospray nur auf besagtem Weihrauchmarkt zu kaufen. Die Wirklichkeit ist eine andere: Kaum irgendwo sah ich in Indien weniger Moskitos als in Hampi und Mysore. Auserdem sind beide Orte nahezu malariafrei. Man kennt noch weitere Tricks. Mit Ähnlichem ist wohl in ganz Indien zu rechnen, doch so schlimm wie in Mysore war es schon seit Varanasi nicht mehr. Ich mag die Stadt trotzdem. Jedenfalls ließ ich all die scheinfreundlichen Typen links liegen und ging frühstücken. „Guests are advised to be wary of strangers who might strike up conversations as they may lead to unpleasant or risky consequences „, stand da in der Speisekarte. Zufrieden löffelte ich meinen Poridge.

Da mir das Finden des richtigen Busses zu mühsam war, investierte ich fünf Euro in ein Tuktuk und ließ mich hinauf auf den 1062 Meter hohen Chamundi Hill bringen. Chamundi ist nur ein anderer Name für Durga, die wiederum niemand anderes ist als Parvati. Es ist ihr Kampf gegen einen starrköpfigen Dämon, worum es beim Dassara (oder Dasain) eigentlich geht. Der Prophezeiung nach konnte besagter Dämon von keinem Gott und Mann getötet werden und dünkte sich daher unbesiegbar. Die weibliche Durga aber konnte ihn bezwingen. (Klingt sehr nach Tolkien.) Chamundi Hill hat einen schönen Tempel und etwas unterhalb  einen riesigen schwarzen Nandi-Stier, den größten, den ich bisher sah. Hauptattraktion des Hügels ist aber klar die Aussicht in alle Himmelsrichtungen, vor allem hinab auf Mysore.

Zurück in der Stadt blieb noch Zeit bis zur abendlichen Abfahrt meines Zuges. Da mich alles andere weniger reizte, besuchte ich einfach ein zweites Mal den Palast und bestaunte die erst gestern genossenen Räume und Kunstwerke. An der Hinterseite des Palasts entdeckte ich noch ein kleines Museum, das ich gestern übersehen hatte. Ein weiterer Audioguide (u.a. mit einleitenden Worten des letzten Maharajahs) beschreibt die diversen Exponate aus dem Besitz der Königsfamilie: Kinderspielzeug, Musikinstrumente, Waffen, etc.

Nahe des Bahnhofs fand ich noch eine Unterführung mit erstaunlich schöner Graffitikunst, die Landschaften, Tiere hinduistische Götter, aber auch Szenen des täglichen Lebens zeigt. Der Bahnhof von Mysore ist sehr modern, sauber und übersichtlich. Übrigens sind die meisten Bahnhöfe dieser Reise weitaus moderner als jener in New Delhi.

Nach den Busfahrten der vergangen Tage freute ich mich so richtig aufs Zugfahren. Problemlos fand ich meinen Platz, gönnte mir noch einen Tee und schlief rasch ein. Nach kurzem Erwachen in Bangalore, wo viele Menschen aus- und einstiegen, ließ ich mich wieder schlafend durchs östliche Karnataka weiter nach Norden tragen. Ein Stück weit führte die Bahnstrecke auch durch den Bundesstaat Andhra Pradesh, dessen Osten ich vor drei Wochen auf der Fahrt nach Chennai (ebenfalls bei Nacht) schon durchfahren hatte. Der Zug brauste durch das Land. Hampi rückte näher.

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