Mysore war bis 1947 Hauptstadt eines mehr oder weniger unabhängigen Königreichs (unter britischer Duldung). Die Maharajahs von Mysore aus der Dynastie der Wodeyars regierten in Prunk und Pomp von ihrem Palast aus und ließen sich zum wichtigsten Fest des Jahres, dem Dassara (einer Variante des auch in Nepal zelebrierten Dasain) auf in Gold gekleideten Elefanten durch die Straßen tragen. Auch heute noch wird hier Dassara mit prächtigen Umzügen gefeiert, nur der Maharajah fehlt. Geblieben aber ist einer der schönsten Paläste des Erdenrunds.
Bevor mich meine Füße dorthin trugen, besuchte ich zuerst den viel kleineren Jaganmohan Palast, welcher einst als königliches Auditorium fungierte. Im selben Gebäude befindet sich heute eine recht ansprechende Kunstgalerie, welche hauptsächlich indische und europäische Kunst aus der Kolonialzeit zeigt. Man findet hier einige Schätze. Sogar ein Selbstbildnis von Rembrant ist dabei. Viele Gemälde zeigen Szenen, die ich aus der Mahabharata kenne, etwa Bhishmas Verzicht auf den Thron. (Dies erlaubt seinem Vater die schöne Fischerstochter zu heiraten, deren Vater nur einwilligt, falls seiner Tochter künftiger Sohn König werden soll.)
Entlang der Mauer, die das weitläufige Palastareal umgrenzt, erreichte ich endlich das einzige der vier großen Tore, das für Besucher geöffnet hat. Das Areal rund um den Palast beherbergt schöne Bäume, Statuen angriffslustiger Tiger, einige Hindutempel, sowie Stallungen für die Elefanten, auf denen man auch eine Runde reiten darf. Den meisten Raum aber nimmt die leere, gepflasterte Fläche ein, auf welcher sich das Volk zu wichtigen Anlässen (wie etwa dem Geburtstag des Maharajahs) versammelte und einen Blick auf die Herrscherfamilie auf den breiten Terrassen der zum Hof geöffneten Säulenhalle zu erhaschen hoffte. Von außen wirkt der Palast (nachdem man das Innere gesehen hat) überraschend unspektakulär. Von innen aber … In meinem Kopf liefert sich der Königspalast von Mysore einen bislang unentschiedenen Kampf mit der Alcázar von Sevilla um Platz eins auf meiner persönlichen Rangliste der (von innen) schönsten Gebäude, die ich bisher sehen durfte. Was für ein Augenschmaus! Allein die Durbar Halle mit ihren rötlichen Säulen, türkisen Bögen und ihren vielen Spiegeln, von denen auch der Boden einer ist, lohnt jede Reise hierher. Das hohe Heiratspavillon mit seiner gläsernen Kuppel und den spannenden Wandgemälden, die verschiedene Episoden festlicher Umzüge zeigen, ist ebenso beeindruckend. Aber da ist noch viel mehr…
Mit sympathischem Audioguide durchwanderte ich Hallen und Korridore. Der Palast ist erst knapp über hundert Jahre alt. Wir verdanken ihn den Köchen des Maharajahs, die im Jahre 1897 etwas anbrennen ließen, sodass der alte Palast Opfer der Flammen wurde. Ein neuer musste her und Geld hatte man gerade in Hülle und Fülle. So indisch der Palast auch erscheinen mag, der Architekt war doch ein Brite. Und so hinduistisch die Motive der gläsernen Fenster auch sind, gefertigt wurden letztere doch in Glasgow. Aber eben die Mischung an Motiven und Kunstfertigkeiten macht den Palast so ungemein ansprechend. Als er 1912 fertiggestellt wurde, war elektrischer Strom längst kein Science Fiction mehr. Die elektrische Beleuchtung und der Fahrstuhl sind keine späteren Ergänzungen. Sie waren von Anfang an da
Nach diesem schönen Palastbesuch gönnte ich mir ein gutes Mal im Parklane (sehr freundliche Kellner) und machte dann auf den Weg noch ein paar andere Sehenswürdigkeiten zu würdigen. Vorbei am alten Glockenturm und der Memorial – beide unverkennbar britischen Ursprungs – gelangte ich zu einem weiteren Museum, welches nach Indira Gandhi benannt ist. Erstaunlich ist der Gedanke, dass dieses unscheinbare, recht hässliche Gebäude fast hundertfünfzig Jahre älter ist als der Palast. Die Ausstellung im Erdgeschoss und in den Gärten zeigt verschiedene Stile von Terrakotta-Kunst aus ganz Indien. Die Räume im ersten Stock bieten die wohl schrägste Gegenüberstellung verschiedener Werke, die mir bisher untergekommen ist. Da sieht man die Schwarzweißfotografien grimmig dreinblickender Maharajas und daneben das grellebuntes Bild eines rote Shorts tragenden Mannes im Tigerkostüm, der aussieht wie der Bösewicht in einem schlechten Comic. Gegenüber: Landschaftsmalerei und Nehru.
Ich schlenderte noch ein paar Schritte durch dichten Verkehr und unaufhörliches Hupen vorbei an einer schönen Moschee bis in die Gärten des kolonialen Government House. Dort machte ich kehrt und beendete den Tag mit gutem Essen und einem grottenschlechten Science-Fiction Film in meinem ruhigen Hotelzimmer.