
Im Laufe der letzten paar Jahre habe ich mich durch einige Werke bedeutender Theatertheoretiker durchgearbeitet: Brecht, Boal, Kantor, Grotowski – nicht nur für meinen Theaterunterricht an der ISK sondern auch aus ganz persönlichem Interesse. Obgleich die Gedanken und Impulse dieser Denker bereichernd und faszinierend sind, hab ich mich doch stets am meisten bei Stanislawski zu Hause gefühlt. Noch viel besser als in seinen eigenen Büchern (die zwar eindrucksvoll aber auch ein bisschen wirr sind), kommt die Essenz seiner Theorie in dem im Bild gezeigten Werk zum Ausdruck. Die Titelseite täuscht. Strasberg und Cole sind wohl eher nur als Herausgeber zu nennen, nicht als Autoren. Auch Stanislavski spielt nur eine indirekte Rolle. In der Tat befindet sich in diesem Buch eine Sammlung von Essays bedeutender russischer Regiesseur:innen und auch Schauspieler:innen des frühen und mittleren 20. Jahrhunderts. Diese Texte – vor allem jene von Rapoport (The Work of the Actor), Sudakov (The Creative Process), Vakhtangov (Preparing for the Role), Giatsintova (Case History of a Role) und Zakhava (Principles of Directing) – gehören zu den besten theoretischen Schriften, die ich bisher über das Theater gelesen habe. Brillant verfasst und reich an Sätzen, die man am liebsten gleich drei- und vierfach mit dem Textmarker hervorhebt, geben sie Einblick in die damalige Theaterarbeit in Moskau und Sankt Petersburg. Dieses Buch wird jedenfalls einen großen Einfluss auf meinen Unterricht und meine künftigen Theaterprojekte haben.