74 Fort Cochin II

Kurz nach Mitternacht erwachte ich in meiner Kammer und wurde dessen gewahr, was geschieht, wenn man sein Moskitonetz nicht fest unter die Matratze klemmt, sondern seitlich lose herabhängen lässt – im Glauben die kleinen Flügelvampire würden den schmalen Spalt schon nicht finden. Geweckt von aufdringlichem Summen tappte ich nach dem Lichtschalter. Der Moment, in dem ich erkannte, dass es nicht eine, sondern mehr als ein Dutzend Moskitos waren, die sich mit mir unter dem Netz befanden, gehörte zu den unangenehmeneren dieser Reise. Fast alle hatten schon an mir gekostet. Ein blutiges Moskitomassaker später, fand ich wieder Schlaf.
In der Tat sind die Mücken von Fort Cochin die aggressivsten und gerissensten, die mir auf Reisen je begegnet sind. Zum Glück ist Kerala so gut wie malariafrei.

Ich frühstückte im schönen Kashi Art Café, Kunstatelier und Kaffeehaus zugleich. Mein honiggetränktes Brot mit Zimt anbei reichlich Früchten der Saison schmeckte mir dermaßen gut, dass ich jetzt schon weiß, morgen früh genau dasselbe zu bestellen. Auch die ausgestellten Kunstwerke sind sehenswert.

Hernach ging’s ins indo-portugiesische Museum, wo man zu viel sakrale Kunst und zu wenig Geschichte sieht. Dennoch: Lissabon fühlte sich plötzlich sehr nah an, so als wären es nur ein paar Schritte und man würde am Ende des Terreiro do Paço dem Meer entsteigen um von dort geradewegs die Rua Augusta entlangzuschreiten.

Vorbei an wunderschönen Bäumen gelangte ich zur Santa Cruz Basilica. Ein Kirchenchor probte eben für die sonntägliche Messe. Sehr schön sind die imposanten Wand- und Deckenmalereien im Inneren der Kirche.

Ein zwanzigminütiger Spaziergang brachte mich ins alte jüdische Viertel. Auf dem Weg sah ich viele Wahlplakate der kommunistischen Partei. Erstaunlich fand ich den Umstand, dass Friedensnobelpreisträgerin Malala Yousafzai als prominente Unterstützerin von einigen Plakaten lächelt. Wer hätte hier wohl vor ein paar Jahren gedacht, dass man mit einem muslimischen Mädchen aus dem Erzfeindland Pakistan auf Stimmenfang gehen würde. Solch kleine Ironien der Geschichte amüsieren mich immer wieder. Bedenklich ist übrigens wie gern westliche Medien darauf vergessen, Yousafzais klares Bekenntnis zum Sozialismus zu erwähnen. In den USA wurde dieser Aspekt in der Nobelpreisberichterstattung völlig totgeschwiegen. (Es sei denn auf Democracy Now.)

Der Besuch im jüdischen Viertel war enttäuschend. Die vierhundert Jahre alte Synagoge hat Zeit meines Aufenthalts geschlossen, der jüdische Friedhof war ebenso versperrt. Allein das alte holländische Herrenhaus werde ich zumindest morgen besichtigen können. Heute war es ebenso geschlossen.

Dafür gab es das laut Lonely Planet und Craig dem Australier beste Biryani der ganzen Malabarküste und zwar in einem kleinen, nicht touristischen Restaurant in einer Nebenstraße. Andere Gerichte gibt’s es dort nicht. Nur Biryani. Gemeinsam mit freundlichen Fischern und Lagerarbeitern aß ich dort dies köstliche Mal. Dann schlenderte ich vorbei an alten Handelskontors und einmal mehr riesigen Bäumen zurück zu den Fischernetzen von Fort Cochin.

Der Rest des Tages verlief recht tatenlos und ruhig. Stundenlang saß ich am Ufer und sah den Fischernetzen zu, während Schiffe unterschiedlichster Art vorbeiglitten. Kleine Fischerboote, Öltanker, Kreuzfahrtschiffe, Containerschiffe, Schlachtschiffe der indischen Armee und andere …

Abends unterhielt ich mich lange bei Gemüsecurry und Roti mit einem sympathischen Wiener namens Felix. Da Konversation mitunter viel Spaß macht, wollten wir nach dem Essen noch auf ein Bier gehen, fanden aber keins. Wie man hört, gibt es Pläne, Kerala – sowie ein paar andere indische Regionen auch schon – zur Gänze alkoholfrei zu machen.

image

Kommentar verfassen

Trage deine Daten unten ein oder klicke ein Icon um dich einzuloggen:

WordPress.com-Logo

Du kommentierst mit deinem WordPress.com-Konto. Abmelden /  Ändern )

Facebook-Foto

Du kommentierst mit deinem Facebook-Konto. Abmelden /  Ändern )

Verbinde mit %s