Dies war sicherlich einer der entspannendsten Tage meiner Reise. Stundenlang in einem kleinen Boot zu liegen, so wie auf einem Sofa, und sich durch die stillen, grünen „backwaters“ von Kerala rudern zu lassen, ist ein schöner Zeitvertreib. Dazu gutes, einheimisches Essen, serviert auf Bananenblättern, Spaziergänge durch die Dörfer und ein fröhlicher Guide, der alles erklärt, hiesige Lieder trällert und unermüdlich danach fragt, ob man auch wirklich „happy“ ist. Man erfuhr Name und Verwendung verschiedener Pflanzen am Wegesrand, kostete Chilly, Tapioka und mehr und sah auch sehr viel Fauna: schöne Eidechsen, Kingfisher bird, Enten und natürlich die allgegenwärtigen Nebelkrähen. In den Dörfern am Ufer sah man das Leben. Alte Frauen fischen mit primitiven Angeln im Wasser, Mädchen weiden Enten aus und hacken Holz, Kinder kommen von der Schule heim und rufen uns ein „Hello“ zu. Beachtlich waren auch die vielen schönen Hausboote, die leise durch das Wasser glitten. Erstaunlich sind auch die vielen kommunistischen Fahnen und Denkmäler, die man hier sogar in den kleinen Dörfern sieht. In der Tat kam in Kerala 1957 durch freie Wahlen eine kommunistische Regierung an die Macht, ein bis dahin weltweit einzigartiges Ereignis. Mit kleinen Unterbrechungen blieb Kerala bis dato in kommunistischer Hand und steht wirtschaftlich im Vergleich zum restlichen Indien sehr gut da, vor allem was Gesundheit und Bildung betrifft.
Was dieser Tag ebenfalls brachte, war viel Konversation mit anderen Reisenden ganz unterschiedlicher Art. Da war zum Einen das britische Pärchen, das ebenfalls auf der backwater tour war. Seufz. Der Akzent ihrer Sprache war schön, doch der Inhalt der Worte dieser auf Elite-Colleges „business“ studierenden high-society snobs, die nach einem Monat in Indien tatsächlich Fragen stellen wie „What is a Vishnu?“ und denen man erklären muss, wo der Äquator ist (Yes, it’s in the middle.), war doch sehr bedenklich. Als der Guide erklärte, dass es in diesen Gewässern früher auch Krokodile gab, kam doch tatsächlich der Satz „I wonder where they went. Where did those crocodiles go?“ Seufz.
Haarsträubend waren die Geschichten der beiden über ihre bisherige Reise. Wie kann man sich nur so ausnehmen lassen? Ja, natürlich glauben wir dem netten Taxifahrer am Flughafen in Delhi, dass wegen Gandhis Geburtstag alle Hotels geschlossen haben und lassen uns stattdessen in ein dubioses Reisebüro bringen, wo man uns für 600 Pfund pro Person (!!!) eine zweiwöchige Tour durch Rajasthan exklusive Verpflegung andreht, ein für indische Verhältnisse horrender Preis. Den beiden schien es recht egal zu sein.
Wie anders waren die abendlichen Gespräche mit den beiden Franzosen, weltoffen, weitgereist und kunstbeflissen, ihres Zeichens web design artists und graphical designer, die es verstehen mit wenig Geld so viel aus ihrer Zeit herauszuholen. So hörte ich abends beim Bier spannende Erfahrungen und gute Tipps für meine Weiterreise mit herrlichem französischen Akzent. Savoir vivre und Savoir voyager liegen eng beieinander.
(Ich möchte natürlich keinesfalls nahelegen, dass besagte Reisende repräsentative Vertreter ihrers Herkunftslands sind. Umgekehrt wäre es ebenso möglich, nur vielleicht ein bisschen unwahrscheinlicher.)