Ein weiterer erholsamer Tag im Urlaubsdomizil von Varkala.
Nach gutem Frühstück bei exzellentem Kaffee besuchte ich aber jenen Ort, der mit dem mit Strand und seinen Shops und Restaurants rein gar nichts zu tun hat: den Janardhana Tempel, welcher auf einem Hügel nahe dem Meer neben den Urlaubern auch einige Pilger nach Varkala lockt.
Viel imposanter als der Tempel selbst ist der riesenhafte Banyanbaum mit seinem Stamm von etwa sechs Metern Durchmesser, seiner ernormen Krone und seinen aus großer Höhe herabhängenden Luftwurzeln – der vielleicht faszinierendste Baum, den ich je gesehen habe. Alle andern in Indien heiligen Banyan-Bäume (Banyan-Feige) und Bodhi-Bäume (Pappelfeigen) dieser Reise reichen nicht mal annähernd an dieses wunderschöne Monstrum von einem Baum heran.
Doch auch der Tempel war sehenswert, insbesondere die bizarren Figuren und Fratzen auf den bunten Giebeln und Dächern. Was es wohl mit dem kleineren Baum auf sich hat, an den Tempelbesucherinnen hunderte hässliche Plastikpuppen genagelt haben und in meiner Gegenwart noch weitere hinzu nagelten? Sieht unheimlich aus.
Zurück auf dem Kliff gönnte ich ein radikales Kontrastprogramm. Ich schlürfte fruchtige Mocktails in einem von sympathischen Briten geführten Lokal, aus dessen Lautsprechern Nick Cave und Leonard Cohen dringt. Dazu Meeresrauschen und Nebelkrähengesang. Ein Sturm zog auf. Warmer Regen fiel um mich her. Wolken zogen übers Meer. Die Sonne kehrte wieder. Alles glitzerte.
Der Nachmittag nahm seinen Lauf. Lockend rauschten die Wellen und ich stellte fest, dass ich wieder kräftig und gesund genug war, um mich hineinzustürzen. Nach eineinhalb herrlichen Stunden im Strudel mich hoch überragender Wellen fühlte ich mich so richtig gut. Im Wasser stehend sah ich vor mir die grüne Küste und die braunen Felsen. Paradiesisch.
Mahabharata lesend saß ich noch lange am Strand. Nach etwa einem Drittel des Buches, nimmt die Geschichte wieder so richtig Fahrt auf. Das dreizehnte Jahr der Verbannung der Pandavas ist eben angebrochen. Inkognito mussten sie es mit Draupadi am Hofe König Viratas verbringen. Bhima als Koch – herrlich. Niemand darf sie erkennen. Doch des Königs Schwager hat es auf Draupadi abgesehen. Manche Szenen erinnern stark an ein Lied von Eis und Feuer. Man muss sich immer wieder in Erinnerung rufen, wie alt dieses Werk ist – und wie lebendig zugleich – zumindest in Indien.
Abends schritt ich „Eppur si muove“ in den Ohren noch einmal den Strand entlang und ließ mir die Füße umspülen. Stimmung: Euphorisch.