38 Diwali

Der Tag hatte eine gewisse Symmetrie mit Symmetrieachse Grenze. Von Ilam ging es per Jeep drei Stunden auf kurviger Straße steil nach Süden ins Flachland hinab zu einem staubigen Ort. Von dort brachte mich ein Bus nach Osten zur Grenze. Von der Grenze fuhr ich per Bus weiter nach Osten an einen anderen staubigen Ort. Und dort stieg ich in einen Jeep, der mich binnen drei Stunden auf kurviger Straße steil hinauf ins schön Darjeeling brachte.

So eine Grenzüberquerung ist immer wieder spannend. Irgendwie waren die Beamten beider Länder um einiges grimmiger als vor einem Monat in Sunauli. Vor allem der uniformierte Inder der West Bengal Police blätterte lange recht skeptisch in meinem Reisepass herum und musste erst Rücksprache mit einem Kollegen halten, bevor er mir den nötigen Stempel in den Pass drückte. Keine Ahnung, was ihn so störte. Bengali verstehe ich genausowenig wie Hindi. Jedenfalls wurde ich eingelassen. Spannend war auch das etwa einen Kilometer breite Niemandsland zwischen den Grenzposten. Ich verließ den nepalesischen Grenzposten um 10:16 und erreichte den indischen – obwohl ich für die Durchquerung des Niemandslands eine Viertelstunde benötigte, exakt zur selben Zeit.

Darjeeling liegt auf über zweitausend Metern Höhe und bietet mit seiner schönen Lage auf einem Hügelkamm wunderbare Aussicht in jede Richtung. Schon die Fahrt war spannend. Neben der kurvenreichen Straße, die der Jeep fast zweitausend Höhenmeter emporratterte, sieht man immer wieder die Geleise der teils noch dampfbetriebenen Schmalspurbahn, die eine der Hauptattraktionen hier ist.
Rasch fand ich in Darjeeling ein Hotel nach meinem Geschmack. Der alte Portier ist sehr freundlich und heißes Wasser gibt es auch, wannimmer man will. Die Aussicht vom Dach ist atemberaubend. Man sieht weit nach Norden zum Khangchendzonga, dem dritthöchsten Berg der Welt und weit nach Sikkim hinein, das mit riesigen Statuen nahe Namchi über die Hügel hinweg grüßt.
Nun sitze ich eben in einer noblen Teestube und verkoste schwarzen, grünen und weißen Darjeeling Tee. Serviert wird der heiße Tee in Sektgläsern. Der Kellner lässt beim Servieren am verwendeten Kräutersatz riechen und erwartet zustimmendes  Nicken des Gastes. Die Preise für ein Sektglas Tee schwanken zwischen dreißig Cent und fünf Euro. Dazu gibt’s bekömmliche Bisquits. Aus den Lautsprechern tönen die Beatles in Dauerschleife.
Während ich noch Tee trank wurde es Nacht und vor der Tür begann das funkelnde Treiben des Diwalifestes. Vor allen Häusern werden Teelichter und andere Kerzen aufgestellt. Feuerwerkskörper werden in die Luft geschossen und zieren den Himmel. Auf einer Bühne im Stadtzentrum singen und tanzen lokale Performer. Vom Hügelkamm sieht man das bunte Lichtermeer der Täler, deren Siedlungen wie Sterne in der Nacht funkeln. Dazwischen blitzt und donnert es, da ständig neue Feuerwerkskörper die Nacht erhellen. In der Stadt zieren zusätzlich tausende farbenfrohe Lichterketten die Straßen und Fassaden. Von den Dächern stürzen bengalische Feuer. (Moment mal, ich bin ja hier in Bengalen. Aha-Erlebnis)
Wohin man blickt, es herrscht ausgelassene Stimmung. Die Menschen rufen einander „Happy Diwali“ zu. Kerzen und Feuerwerk. Diwali riecht wie Silvesterabend und Weihnachten zugleich. Ein schönes Fest. Lakshmi sei dank. (Ihr ist der ganze Zauber zu verdanken. Lakshmi = weibliche Hälfte oder Skakti von Vishnu. Beide reiten gerne auf Garuda, aber das ist eine andere Geschichte.) Eben schlägt die Turmuhr zur vollen Stunde die Melodie des Big Ben. Gute Nacht, Welt. Happy Diwali.
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