Kurz vor fünf Uhr früh verließ ich mein Hotelzimmer und schlich mit Taschenlampe bewaffnet die dunklen Straßen von Nagarkot entlang. Mein Weg führte mich nach Süden zum etwa eine Marschstunde entfernt liegenden Aussichtsturm, der einen wunderbaren Blick auf den Sonnenaufgang versprach. In der allmählich lichter werdenden Nacht passierte ich viele heulende Hunde und am Ortsende das bewachte Tor einer Kaserne der nepalesischen Armee. Es ist ein durchaus seltsamer Anblick, so ein mit Hakenkreuzen verziertes Kasernentor samt Stacheldraht.
Nach einer halben Stunde fand ich auf der Straße zwei nette Israelis, die denselben Weg hatten. Wir tauschten einige interessante Infos aus.
Kurz vor Sonnenaufgang erreichten wir den Turm. Da das unterste Leitersegment fehlte, war die Besteigung etwas kapriziös. Die Aussicht war dafür wunderbar. Leider sah ich nur die halbe Himalayakette, da Wolken im Westen die Sicht versperrten. Die Sonne kam. Mehr Wolken zogen auf. Dennoch: der morgendliche Spaziergang hatte sich gelohnt. Nebel und Sonnenstrahlen sorgten auf dem Rückweg für besonders schönes Ambiente.
Zurück in Nagarkot nahm ich schon bald den Bus nach Kathmandu. Es galt, die Weiterreise nach Janakpur zu organisieren. Außerdem gab es in der Hauptstadt noch einige sehenswerte Attraktionenen.
Nachdem ich alles erledigt hatte, besuchte ich den Königspalast, der heute ein streng bewachtes Museum ist. Kameras und Handys müssen am Eingang abgegeben werden. Überall patrouillieren bewaffnete Wachposten. Der Palast selbst ist sehr sehenswert. Interessant ist vor allem auch der Aspekt, dass er bis in jüngster Vergangenheit noch „in Betrieb“ war. In den prunkvollen Räumen findet man unter anderem viele Fotografien von Staatsbesuchen der jüngsten Vergangenheit. König Birendra schüttelt darauf die Hände vieler einstiger Staatsoberhäupter. Aus österreichischer Sicht fällt das nette Portrait mit Thomas Klestil auf. Eingehend betrachtete ich auch König Birendras Bücherschrank. Neben dem Gesamtwerk von Joseph Conrad (ach, Lord Jim) findet man hier auch viel Agatha Christie. Auch Victor Hugo, Shakespeare und Dumas sind vertreten. Im Regal gegenüber dem königlichen Schreibtisch (der wohl so ist, wie ihn Birendra 2001verlassen hat) fällt vor allem ein Bildband über die Steiermark auf.
Traurig ist, wie viele Tiger, Krokodile und Nashörner für die Innenausstattung des Palastes ihr Leben lassen mussten. Riesige ausgestopfte Tiger und Tigerteppiche zieren fast jeden Raum. Hinter dem Hauptgebäude weisen Wegweiser mit der Aufschrift „Massacre place “ zum Schiksalsort der nepalesischen Politik. Zehn Menschen ließen hier in der Nacht vom 1. Juni 2001 im Kugelhagel ihr Leben, darunter der König, die Königin und weitere Familienmitglieder. Über den genauen Tathergang kursieren viele Ger
üchte. Die plausibelste Variante sieht den Kronprinzen als Täter. Nach seinem anscheinend alkoholinduzierten Amoklauf soll er die Waffe gegen sich selbst gerichtet haben. Er überlebte die Nacht, fiel ins Koma und starb zwei Tage später. Während er im Koma lag wurde er – trotz seines Zustandes und des Umstands, dass er eben die ganze Königsfamilie niedergemetzelt hatte – noch schnell zum König gekrönt. (Er war ja schließlich der älteste Sohn. )
Nach diesem beeindruckenden Museumsbesuch verbrachte ich den Rest des Tages im grünen Garden of Dreams. Der kleine (mit österreichischen Geldern restaurierte) Park erinnert ein bisschen an Schloss Schönbrunn. Das angrenzende Kaiser Café hat guten Kaffee und eine hervorragende Sachertorte.