29 Bodhnath

Blitze und Donnergrollen erfüllten den Himmel über Kathmandu, als ich kurz vor fünf Uhr morgens in ein Taxi stieg. Der Sicherheitsgurt war defekt. Bei Starkregen und beschlagener Windschutzscheibe raste der Fahrer durch die Nacht.

Am winzigen Flughafen von Kathmandu war banges Warten angesagt. Ich brachte in Erfahrung, dass der „Mountain Flight“ zum Everest und zurück gestern gestrichen worden war. Heute sah das Wetter weitaus schlechter aus. Aber letztlich ist es egal, wie es in Kathmandu aussieht. Wichtig ist, dass man aus der Luft die Berge sieht. Anscheinend war dem heute nicht so. Kurz nach sieben herrschte Klarheit. Kein Mountain Flight. Ein Umbuchen auf einen anderen Termin war kein Problem. In vier Tagen will ich noch einmal mein Glück versuchen.

Ich verließ den Flughafen zu Fuß (seltsam einen Flughafen zu Fuß zu verlassen) und erreichte nach wenigen Minuten den heiligsten Ort Nepals – zumindest für Hindus. Der Tempelkomplex von Pashupatinath ist eine Art nepalesisches Miniatur-Varanasi. Zentrum ist auch hier ein total verschmutzter – aber heiliger – Fluss (der Bagmati), in dessen Wasser man sich badet bzw. kurz vor ihrer Verbrennung die Toten taucht. Einer brannte gerade, als ich zugegeben war. Nach dem Blutbad an der Königsfamilie im Jahre 2001 war auch diese hier verbrannt worden. In den goldenen Haupttempel dürfen nur Hindus. Vom Tor aus kann man aber das Hinterteil einer riesigen, goldenen Nandi-Skulptur, sowie Shivas Dreizack erkennen. Der Andrang der Pilger war an diesem Tag sehr groß. Noch zahlreicher allerdings waren die Rhesusaffen, die frech auf den Brücken und Dächern herumturnten. Im Umfeld des Tempels gibt es viel zu sehen. Hunderte kleinere Tempel – ein jeder mit Nandi und Bhairav – warten darauf entdeckt zu werden. Immer wieder eröffnen sich schöne Aussichten auf Fluss und Haupttempel. Orangefarbene Sadus mit abenteuerlicher Haar- und Barttracht warten auf den Touristen, der sie fotografiert und dafür bezahlt. Immer wieder kreischen Affenchöre und übertönen den Singsang vom Tempel. Der in Intervallen wiederkehrende Regen zwang mich immer wieder unter dem nächsten Baum oder Tempeldach Schutz zu suchen und minutenlang die Atmosphäre zu genießen.
Über einen Hügel gelangt man zu weiteren Shivaschreinen und schließlich wieder hinab zum Fluss.

Ein freundlicher Nepalese wies mir den Weg zum nahen Bodhnath Stupa – Weltkulturerbe und Höhepunkt des Tages. Größer könnte der Gegensatz zur eben geschilderten hinduistischen Heiligstätte kaum sein. Die Bodhnathstupa ist neben Svayambunath und Lumbini eine der wichtigsten buddhistischen Stätten des Landes und obendrein die größte Stupa Asiens (und wohl auch der Welt? ). Insbesondere der tibetische Exilbuddhismus hat in den umliegenden Klöstern eine neue Heimat gefunden. Die Stupa ist riesig, das Ambiente fast noch eindrucksvoller als in Swayambunath – sogar im strömenden Regen.
Ich aß in einem kleinen Restaurant zu Mittag. Von meinem Fenster im Obergeschoss sah ich genau in eines von Buddhas Augenpaare auf der Stupa. Dazu hervorragendes vegetarisches nepalesisches Essen. Nach einer neuerlichen Umrundung der Stupa erkundete ich noch ein paar tibetische Klöster, doch der unnachgiebige Regen scheuchte mich schon bald in den nächsten Bus zurück nach Kathmandu. Die Straßen der Altstadt sind inzwischen zu Flüssen aus Schlamm geworden.

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