Endlich wieder auf dem Weg…

In dieser Wirklichkeit, die uns umflutet und die im Wechselspiel ihrer Gezeiten dem einen Leid, dem andern Freude vor die Füße spült, – in dieser Wirklichkeit, die unermüdlich wogt, und fließt und brandet, die donnernd gegen schroffe Felsenwände schlägt, die einmal stürmt und schäumt und brodelt – und hernach wieder ach so ruhig scheint, sodass das kaum vergangene Wüten zur undenkbaren Möglichkeit zu werden droht – in dieser Wirklichkeit sind wir zu Hause.
Der Strom der Zeit spült uns vorüber und vorbei an tausend Landschaften und Möglichkeiten, an großen Plänen und geheimen Träumen, an Monumenten der Alltäglichkeit; und auch an vielen Trinkenden, Trunkenen und Ertrinkenden im graublauen Wasser des Lebens. Schnell werden wir durch die Momente hindurchgetrieben – so schnell, dass die Zeit nicht reicht, dem einen schönen Augenblick in gebührender Achtung hinterher zu blicken – denn viel zu rasch werden wir in den nächsten Augenblick hineingespült.
So ist es hin und wieder ratsam, wohltuend und schön, den Fluten zu entkommen, ans Ufer zu krabbeln, dort zu verharren, den Fluss als Ganzes zu betrachten, Größe und Bedeutung seiner zu erahnen, ein wenig zu trocknen, sind in der Sonne zu wärmen, nüchtern zu werden um sich dann wieder hinein zu stürzen in die Wogen des Lebens.

Eine Allegorie und nicht mehr… .

Ich gehe wieder wandern. Wie schon zwei Jahre zuvor, kehre nach zwei Jahren eines turbulenten Leben voller Ereignisse wieder zurück auf den Weitwanderweg meiner einstigen Wahl, kehre zurück an exakt jenen Ort, an dem ich damals stehen blieb – und setze meine Weg fort. Keine Physik, kein Theater mehr, nichts mehr als die Ruhe der Natur, den Weg vor meinen Füße und die wunderbare Ungewissheit nicht zu wissen, wo man die nächste verbringen, wie weit man an diesem Tag gelangen und welche Aussicht sich hinter der nächsten Hügelkuppe offenbaren wird. Zwei Jahre lang habe ich mich darauf gefreut. Und endlich geht es los.

Mein Weg wird mich von Grenoble aus über das Massif du Vercors nach Süden bis Viviers am Fluss Rhône führen. Von dort aus geht es weiter nach Westen, hinein in die Ardèche in Richtung französisches Zentralmassiv. Ich gedenke jeden Schritt zu Fuß zurückzulegen, drei Wochen lang kein einziges Verkehrsmittel zu nützen und zu 100% im Leben zu sein – und nicht im Internet. Dem bleibe ich für diese Zeit fern.

Und zum Geleit ein wenig Fredericus N.:

Es geht ein Wandrer durch die Nacht
Mit gutem Schritt;
Und krummes Thal und lange Höhn —
Er nimmt sie mit.
Die Nacht ist schön —
Er schreitet zu und steht nicht still,
Weiß nicht, wohin sein Weg noch will.

I will now walk into the wild…
Again.

Unterwegs auf dem E4 – Teil 1 (Bregenz bis Saint-Cergue)

Unterwegs auf dem E4 – Teil 2 (Saint-Cergue bis Grenoble)

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